19 April 2012

Das Glück der geographisch richtigen Geburt. Oder: Warum ich heute mal wieder stolz bin, ein Ossie zu sein.

Zu seiner Herkunft sollte man stehen. Ich bin in der dahingeschiedenen DDR geboren und aufgewachsen. Die geneigten Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen, dass ich ein Problem mit all den Idioten habe, die ihre gleichfalls vorhandene DDR-Biographie verleugnen. Sowas gibt es sogar in meinem Umfeld … Besonders bescheuert finde ich Menschen, die z.B. in Karl-Marx-Stadt geboren wurden, nun aber darauf bestehen, in Chemnitz (so heißt die Stadt heute wieder) zur Welt gekommen zu sein. Stimmt’s, Frau Wille?
Da lob ich mir meinen Vater: Der legte sich schon zu tiefen DDR-Zeiten mit einem Funktionär an, der ihn zum Polen machen wollte. Mein alter Herr ist nämlich in Schlesien geboren, in jenem Teil, der 1927 zweifelsfrei deutsches Staatsgebiet war. Papa schrieb in ein Formular bei der Frage nach Ort und Staat seiner Geburt folglich Deutschland, während der dusselige Funktionär ihn in der „Volksrepublik Polen”, die damals ebensosehr existierte wie Chemnitz 1980, verorten (endlich bekomme ich dieses blöde Modewort mal unter) wollte. Mit dem lautstark vorgetragenen Empörungsruf „Genosse, Du spinnst, ich bin doch kein Pole” brachte mein alter Herr einen angemessenen Ton die Debatte.
Doch zurück zu meiner Biographie. Ich habe vom Tag meiner Geburt an (welcher übrigens ein Sonntag war) 30 Jahre und ein paar Tage in der DDR verbracht. Und heute war ich wieder mal besonders stolz drauf, ein Ossie zu sein.
Warum? Ganz einfach – guckst Du hier: http://www.welt.de/politik/deutschland/article106201680/Ostdeutsche-sind-groesste-Gott-Zweifler-der-Welt.html
Da wird mir und meinen Landsleuten bescheinigt, die weltweit größten Gottzweifler zu sein. Wenn das kein Grund zum Stolz ist, was dann?
Ich glaube nicht an höhere Wesen, ich gehöre keiner Kinderfickersekte an und ich finde den folgenden Satz von Heinrich Heine ziemlich treffend:
„In dunklen Zeiten wurden die Völker am besten durch die Religion geleitet, wie in stockfinstrer Nacht ein Blinder unser bester Wegweiser ist; er kennt dann Wege und Stege besser als ein Sehender. Es ist aber töricht, sobald es Tag ist, noch immer die alten Blinden als Wegweiser zu gebrauchen.”

(erstmalig veröffentlicht auf https://zeitungsdieb.blogger.de/stories/2044296/ und hierher gerettet)