5 November 2024

Die „Krabat 100”-Premiere aus der Helferperspektive

Aus eigener Lauferfahrung weiß ich, dass die Verpflegungspunkte (VP) bei langen Läufen etwas von „Oasen in der Wüste” haben. Sie dienen ja nicht nur der Aufnahme von Speis‘ und Trank (und ggf. dem Auffüllen der Wegzehrung im Rucksack), sondern können auch Trost und Motivation spenden, wenn’s mal Sch… läuft (was es auf Ultrastrecken fast immer irgendwann tut). Bei der Premiere des Krabat 100 am 2. November 2024 genoss ich es, einen VP von der anderen Seite des Tisches zu erleben.

Schuld daran ist Peter Buschack*. Da er mit seinem Lauf im heimischen Hänchen nicht genug zu tun hat, legte er in diesem Jahr grenzüberschreitend (weil in Sachsen) mit dem Krabat 100 nach. Gelaufen wird vor allem auf dem Krabat-Radweg. Start und Ziel ist der zu Hoyerswerda gehörende Ort Zeißig, den die Läufer nach 102 km wieder zu erreichen hoffen. Dass sich zur Erstauflage dieses Laufes 70 Teilnehmer angemeldet hatten, ist beachtlich und spricht für Peters Ruf in der Szene, denn erstens ist der November kein typischer Genusslaufmonat und zweitens ist die (Ober)Lausitz … nunja … nicht gerade der Mittelpunkt Deutschlands.

Um auf Peter und die Schuldfrage zurückzukommen: Ende September ließ er online durchblicken, dass für einen der insgesamt fünf VP an der Strecke noch Helfer gesucht werden. „Hast Du Lust?”, fragte ich meine Frau. Sie hatte – und wenig später waren wir für den VP 4 beim Streckenkilometer 73 zuständig. Natürlich mit dem hingegrinsten Hinweis, dass sich dieser in Eutrichhof befindet und „seniorenfreundlich” sei. Peter, Du Sack!

Also dann. Allerlei Gerödel inklusive dreier Stühle und eines Gaskochers ins Auto gepackt, am Morgen des 2. Novembers nach Zeissig gefahren, dort freundlichst empfangen worden, noch mehr Gedöns eingeladen und eine halbe Stunde später in Eutrichhof den VP aufgebaut. Der freundliche Hausherr half beim Errichten des Zeltes, öffnete für uns seine heiligen Hallen samt Küche, wir kochten Tee, bereiteten die „Essensausgabe” vor und warteten gemeinsam mit Robert, einem jungen „Eingeborenen” (und natürlich auch Läufer und dritter Helfer) aufs laufende Volk.

Das ließ uns allerdings warten. Der schnellste Hirsch, dessentwegen wir unsere Futterkrippe bereits 11.30 Uhr eröffnet hatten, war auf der Strecke geblieben. Also ausharren. Langweilig wurde es nicht, denn es gab allerlei zu tun, zu quatschen und dank eines gut besuchten Hofverkaufs noch mehr zu sehen. Gelegentlich kam der Gedanke auf, welch Glück wir mit dem Wetter hatten … Nach und nach trudelten die Läufer ein. Manche gut drauf, andere erkennbar angefressen, doch alle dankbar für ein paar freundliche Worte und den einen oder anderen frechen Spruch, für den wunschgemäß temperierten Tee, eine Brühe oder eine Tasse Kaffee. Ein paar Happen am Stand, noch ein paar in die Tasche für den weiteren Weg – und schon trabten die Kurzzeitgäste zurück auf die Strecke. Oder auch nicht, denn ein 100er ist ja kein Sprint und man kann sich auch setzen und ein paar Minuten Ruhe gönnen, ehe es nach dem (natürlich schmerzhaften) Aufstehen weiter dem Ziel entgegen geht.

Nicht für alle, denn ein junger Mann beendete seinen Lauf nach reiflicher Überlegung bei km 73. Er hatte starke Schmerzen und erreichte unseren VP schon auf der sprichwörtlichen Felge. Als Läufer kennt man solche Situationen und fühlt mit, aber so ist es nunmal. Es gibt nicht nur gute Tage. Tim, good luck next year!

Die meisten Läufer spendierten uns beim Weiterlaufen noch ein Dankeschön, wir riefen ihnen ein paar freundliche Worte nach und es wurde wieder für einige Zeit ruhig am VP. Gegen 15 Uhr fühlten wir uns beinahe überrannt, denn eine größere Schar fand sich an unserem Stand ein. Gelächter, allerlei Sprüche und auch ein paar Gespräche mit länger nicht gesehenen Bekannten. Auch wenn 16 Uhr an unserem VP offiziell Schluss sein sollte, harrten wir noch ein wenig aus und warteten auf die beiden „letzten Mohikaner”, die noch auf der Strecke waren. Der Stand war schon abgebaut, das Gerödel verstaut und es dunkelte, als sie eintrafen. Auch sie bekamen ein paar freundliche Worte und Verpflegung, ehe sie sich auf die letzten 29 km machten. Der Tag war zwar sonnig gewesen, doch inzwischen wurde es kalt und es gab keinen Grund, auf die beiden Spätläufer neidisch zu sein.

Dann hieß es: Schnell den Rest verladen, von der freundlichen Bauersfamilie verabschieden und mit allem Kram zurück nach Zeißig. Dort lauerte Peter, half beim Ausladen und fand noch Zeit für eine herzliche Verabschiedung, ehe er zur abendlichen Abschlussparty eilte. Gastgeberpflichten … Für uns klang der Tag nach der gut zweistündigen und zum Glück blitzfreien Heimfahrt schließlich auch aus.

Und das Fazit? Schön war’s! Ein herrlicher Tag bei novemberuntypischem Spätherbstwetter, ein Tag mit vielen positiven Eindrücken und dem guten Gefühl, dem einen oder anderen der müden Kämpfer ein wenig geholfen und dafür Dankbarkeit gespürt zu haben.

PS.: Wer eines oder mehrere der Fotos verwenden möchte, kann das für private Zwecke gern tun. Wenn mein Name als Quelle dabei steht, umso besser.

A. Dreilich

* Für Nichtläufer ein paar Infos zum besseren Verständnis: Peter, der verrückte Gockel aus Hänchen, veranstaltete 2020 erstmals einen 24-h-Lauf namens Mad Chicken Run. Der Lauf erlebte 2024 seine fünfte Auflage und ist mittlerweile der größte  derartige Lauf in Deutschland.


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Verfasst 5. November 2024 von admin in category "Aktuelles", "Sportliches

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