Besser abgestochen als deutsches Recht gebrochen: Schutzwaffen sind verboten.

Wer sich die Übersicht per polizeilicher Pressemitteilung bekannt gemachten Messerdelikte anschaut, braucht gute Nerven. Allein im September 2024 waren es bundesweit 334 gemeldete (!) Fälle bei einer Dunkelziffer von ca. 70 Prozent. Da es den potenziellen Opfern praktisch unmöglich gemacht wird, einen Messerangreifer mit einer legalen Schusswaffe zu stoppen, liegt der Gedanke nahe, sich zumindest mit einer stichhemmenden Weste oder einem ebensolchen Schal zu schützen. Aber Vorsicht! Selbst das Tragen einer derartigen Schutzwaffe (so der offizielle Terminus) kann strafbar sein. Wer sicher gehen will, nicht gegen geltendes Recht zu verstoßen, lässt sich also am besten abstechen.
Schutzwaffen sind dazu da, ihren Träger vor der Wirkung einer Waffe zu schützen. Wer bei diesem sperrigen Begriff spontan an Rüstungen, Schutzwesten und (Stahl-)helme denkt, liegt richtig. Schutzwaffen werden seit Jahrtausenden genutzt. Logisch, denn wer will sich schon im Kampf vom Gegner seinen Kopf verbeulen oder den Leib perforieren lassen.
Während es dem deutschen Grundgesetz leider an einem 2. Zusatzartikel nach US-amerikanischem Vorbild mangelt, der das Recht auf Besitz und Tragen von Waffen gewährleistet, sieht es mit Schutzwaffen anders aus. Die kann man einfach so käuflich erwerben oder im heimischen Bastelkeller herstellen. Letzteres ist durchaus ernst gemeint, denn schon ein passend gedengeltes Backblech bietet Schutz vor allerlei Messerunbill, wenn man es z.B. unter einem Pullover trägt. Ja, das ist nicht sonderlich bequem, aber eine Stichschutzweste ist deutlich teuerer und das Zusammenlöten eines Kettenhemdes ziemlich langwierig.
Aber zurück zum Thema: Wer es mag, darf sich mit Schutzausrüstung behängen, als wäre er ein Ritter des ersten Kreuzzugs bei der Einnahme Jerusalems. Allerdings darf er das uneingeschränkt nur in seinen eigenen vier Wänden. Möchte der Wohlverblechte durch die Öffentlichkeit scheppern, kann es Ärger geben. Das liegt am deutschen Versammlungsgesetz. Dieses regelt die in Artikel 8 des Grundgesetzes garantierte Versammlungsfreiheit (Kleine Feinheit am Rande: Das Grundgesetz unterscheidet durchaus zwischen „alle Menschen” und „alle Deutschen”; die Versammlungsfreiheit gilt dem Buchstaben nach nur für „alle Deutschen”).
In besagtem Versammlungsgesetz finden sich einige delikate Nettigkeiten, so z.B. im Artikel 17a diese: „Es ist verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich zu führen.”

Im Klartext: Wer bei der Demo oder auf dem Weihnachtsmarkt ein Kettenhemd unterm Pullover trägt, ist ein Rechtsbrecher. Wer das schützende Hemd auf dem Weg dorthin unterm Arm trägt, um es vor Betreten des Marktes zu applizieren, ist ebenfalls ein Rechtsbrecher. Wesentlich ist, dass es sich um einen Gegenstand handelt, der als Schutzwaffe eingestuft wird, weil damit „Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren” sind. Kurz gesagt: Alles, was dazu dienen kann, einem knüppelschwingenden Büttel den Job zu erschweren, ist verboten.
Eingebrockt hat uns das übrigens Bundeskanzler Helmut Kohl. Kohl? Der Dicke? Ja, genau der. Also nicht er allein, sondern die 1985 regierende Koalition „Kohl II” aus CDU und FDP. Diese packte neben dem Vermummungsverbot (kleiner Tipp: Eine FFP2-Maske, auch bekannt als Affentrichter, ist keine Vermummung, sondern dient nach gängigem Verständnis irgendwie dem Selbst- und Fremdschutz vor pöööhsen Erregern) auch ein Verbot von Schutzwaffen ins Versammlungsgesetz. Verstöße galten als Ordnungswidrigkeiten. 1989 setzte die schwarz-gelbe Koalition „Kohl III” noch eins drauf und stufte Verstöße zu Straftatsbeständen hoch.

Falls sich jemand Demonstrationen gegen die Maßnahmen im Rahmen der Corona-P(l)andemie und drohende Impfpflicht erinnert: Im kühlen November setzte die Polizei in Berlin Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein. Nicht mit scharfem Strahl, sondern im „Tröpfelmodus”, um es für die Teilnehmer ungemütlich zu machen. Wer angesichts dieser Übergriffigkeit einen Regenschirm aufspannte, wurde damit zum Straftäter, dessen oberschlimme Untat mit einer Freiheitsstrafe bis einem Jahr geahndet werden kann.
Das ist nicht zu glauben? Stimmt. Aber deutsche Gerichte haben eine Reihe von Urteilen in diesem Sinn gefällt. So hat das LG Frankfurt eine Plastikfolie, die ein Demonstrant zum Schutz vor Pfefferspray vor den Augen getragen hat, als unzulässige Schutzwaffe eingestuft. Ein mitgeführter Mundschutz, wie ihn Boxer tragen, wurde durch das OLG Frankfurt am Main als verbotene Schutzwaffe und Ausdruck von Gewaltbereitschaft gewertet. Unnötig zu erwähnen, dass Atemschutzmasken, Helme, Armschienen und Schutzbrillen ebenfalls verbotene Schutzwaffen darstellen. Protektoren? Motorradjacke? Ein Armvoll Stroh unter dem Gewand? Lasst es sein, lasst Euch prügeln!
Merken wir uns für die nahende Weihnachtszeit besser die folgende Regel: Der brave Staatsbürger geht auf den Weihnachtsmarkt unbewaffnet. Er trägt weder Schutzweste noch Schnittschutzschal. Er händigt jedem, der ihn verbal oder physisch darum bittet, Smartphone, Geldbörse und Goldketten aus, verliert kein böses Wort und lässt sich, wenn es sein muss, auch mit einem Messer perforieren. Alles andere wäre zwar vernünftig und könnte dem braven Staatsbürger das Leben retten, aber es wäre rechtswidrig. Und wer will das schon in diesem Land, in dem wir gut und gerne leben. -ad
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