Petras „Schwierigkeiten mit der Wahrheit”
Otto von Bismarck formulierte, dass nie soviel gelogen werde wie vor der Wahl, im Krieg und nach der Jagd. Diese Weisheit hat noch heute Gültigkeit. Beispiel gefällig? Dann schauen wir doch mal in die ach so herzige Wahlkampfpostille von Petra Köpping.
Vor einigen Wochen landete das wunderliche Heft in meinem Briefkasten. Es wirkte, als hätte die Aldi-Werbung mit einem der bunten Friseurherumliegeblättern ein Kind gemacht. Also spitze Finger (und nach dem Lesen Hände waschen). „PETRA” schrie es mich vom Titel in Großbuchstaben an. Darunter prangte ein Foto von Petra Köpping, der Sächsischen Staatsministerin für alles mögliche Gedöns. Erster Eindruck: Nunja, wir werden alle älter. Zweiter Eindruck: Der Kopf stützt sich aufs Kinn. Die nicht mehr jugendfrische Faust verdeckt neben den Jahresringen auch das je nach Situation gern zur Schau getragene „Ketterl” mit dem Stern. Aufrichtig geht zwar anders, aber sie wird schon ihre Gründe haben, den Stern auf ihrer Petrapostille nicht zu zeigen.
Ansonsten sollten verschiedene Einklinker auf dem Titelblatt das Lesevolk wohl ins Blatt locken. Ein gewisser Roland Kaiser (genau, der Santa-Maria-Trällerer und begeisterte Impfpropagandist) hat was zu sagen, außerdem eine gewisse Gitte aus Dänemark. Und dann natürlich der Knaller: „Petra Köppings Sechs-Punkte-Plan. Wie die Sozialministerin Sachsen umkrempeln will” Hmm. Ist das nun Satire oder eine Drohung? Und woher hat sie einen Plan?
Also allen Mut zusammengenommen und hinein ins Blatt. Schnell durchgeblättert. Überblick. Es menschelt überall, Petra die Gute, die Tolle, die Anpackende. Fehlt nur „Petra beim Kochen eines leckeren Menüs für ihre Lieben”. Bauchkraulinterview mit dem alten Schlagerfuzzi, Testimonials, die „ihre Petra” toll finden. Echokammer auf Papier.
Nun denn, ich raffe mich auf und beginne zu lesen. Weil es mir am unverfänglichsten erscheint, schaue ich zuerst in die Biographie. Doppelseite mit alter Politikpetra, junger Sportpetra, immer noch junger Familienpetra und wichtiger Ichhabwaszusagenpetra. Nett. Aber nun hinein den Text.
Logisch, den dunkelroten Studiengang Staatsrecht in Potsdam hat sie nur belegt, weil er als Fernstudium lief. Klar, das weiß ja jeder Ossie: Fernstudium gab es nur in diesem einen Fach. 😉 Und zur Wende war sie ja beinahe schon ein wenig Revoluzzer, die Petra, also irgendwie beinahe. Und hatte sogar Mitleid mit den Leuten, die das mit dem perfekten Halswenden nicht so drauf hatten und in ABM landeten.
2001 wurde sie Landrätin des Landkreises Leipziger Land. Nun folgt in der geschönten Biographie eine glatte Falschaussage: „Rückenwind für eine weitere Amtszeit? Es kommt anders: Köpping entscheidet sich für die Landespolitik, wird 2009 in den Sächsischen Landtag gewählt.” So steht’s im Petrablättchen. Und stimmt nicht.
Die Wahrheit? Sie wurde abgewählt. Im August 2008 kam es zur Zwangsfusion mit dem Muldentalkreis, der Landkreis Leipzig entstand. Die vergnatzten Muldentaler wählten ihren bisherigen CDU-Landrat Dr. Gerhard Gey, Petra Köpping schaute in die Röhre und wurde bei der Sächsischen Aufbaubank als Beraterin zwischengelagert. „Man muss ja auch essen”, sagte schon der Pate. 2009 zog sie dank Platz 4 auf der SPD-Landesliste in den Sächsischen Landtag ein. „Köpping entscheidet sich für die Landespolitik”? Nö. Sie wurde entschieden. Ehrlichkeit? geht anders.
Apropos Ehrlichkeit: Berufsbedingt schaue ich bei jedem Druckwerk, das ich in die Hand nehme, nach dem Impressum. Natürlich hat auch Petras-Propaganda-Postille eines. Muss es ja. Soso. Der SPD-Landesverband Sachsen zeichnet als Herausgeber des Heftes verantwortlich. Konzipiert hat es eine Agentur namens Brinkertlück. Viel Haltung, viel SPD. Man kennt einander. Zürich. Hamburg. Wie heißt es im Sechs-Punkte-Plan? „… Unterstützung von Mittelstand und Handwerk … Stärkung des Industriestandortes”. Nagut, das muss man ja nicht übertreiben und Hamburg ist ja beinahe Sachsen.
Aber gedruckt wurde Petras-Propaganda-Postille sicher im weißgrünen Freistaat. Ganz sicher! Schließlich gibt es hier gleich mehrere Zeitungsdruckereien, die sich über einen solchen Auftrag freuen würden. In Dresden, in Chemnitz, in Leipzig (nö, dort nicht mehr, denn der SPD-dominierte Madsack-Konzern hat seine Druckerei geschlossen), aber dafür in Radeburg und wo auch immer … Aber nein, ein weiterer Blick ins Impressum zeigt, dass die Sachsen-SPD ihr Geld doch lieber nach Esslingen überweist als die sächsische Wirtschaft zu stärken.
Wer Petras-Propaganda-Postille nicht im Briefkasten hatte (Glück gehabt!), kann sie natürlich bei der Sachsen-SPD anschauen. Also noch, denn nach der Landtagswahl wird das Heftchen sogar den hartgesottensten Sozen peinlich sein. Damit dieses Kunstwerk nicht verschwindet, habe ich es sicherheitshalber hier hinterlegt. Es wäre ja schade drum, schließlich wurde es mit Steuergeld produziert. -ad
PS.: Eine Frage ist bei mir trotz gründlicher Lektüre unbeantwortet geblieben. Wenn ich lese, was die tolle Petra von der einstigen Volkspartei in den nächsten Jahren alles so tun will, frage ich mich wirklich, warum sie und ihr SPD-Ministerkollege Martin Dulig das in der zu Ende gehenden Legislaturperiode nicht schon getan haben. Da waren sie doch schon Regierung, oder?
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