Demokratie statt Sommerfest? Gedanken zu einer Zeitungsnotiz
Wie heißt es so schön? Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Zum Beispiel das Sommerfest des Botanischen Gartens der Universitiät Leipzig am 8. Juni 2024. Aber halt: Das Fest wurde auf den September verschoben, da ist erfahrungsgemäß ja auch das Wetter sommerlicher. Warum die Verschiebung? Weil sich in Leipzig für den selben Tag eine Demo in den Kalender gerutscht ist. Die Teilnahme an dieser Demo wird den ausgebremsten Sommerfestbesuchern von Seiten des Botanischen Gartens ausrücklich empfohlen.
Sicher ist es nur ein Zufall, dass diese Demo unter dem schönen Titel „Hand in Hand Leipzig – für Demokratie und Menschenrechte” am Vortag der anstehenden Kommunal- und Europawahl auf dem Leipziger Leuschnerplatz stattfindet. Wäre es kein Zufall, hätte die „Leipziger Volkszeitung”, die in ihrem heutigen Lokalteil mit einer kurzen Meldung über die Verlegung des Sommerfestes informiert, sicher sehr qualitätsmedienhintergründig recherchiert und darüber ausführlicher berichtet.
Als Organisator der vollmundig als Großdemo angekündigten Veranstaltung zeichnet übrigens Hand in Hand Leipzig. Die Unterstützerliste ist lesenswert und sehr ausführlich. Die Seite hat sogar ein Impressum. Dass dort statt einer verantwortlichen natürlichen Person eine juristische in Gestalt von SAY IT LOUD e.V. (die brüllende Schreibweise ist original) genannt wird, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das wäre auch überraschend, denn unter der im Impressum genannten Adresse befindet sich (auch?) die Kanzlei eines über die Grenzen von Leipzig bekannten Nichtmehr-Anwaltes.
Und wer mag wohl SAY IT LOUD e.V. sein? Die Homepage gibt Auskunft. „Wir unterstützen in und um Leipzig Menschen bei der Planung und Durchführung von Demonstrationen und Veranstaltungen. Beispielsweise können wir Sound-Technik und einen Lautsprecherwagen bereitstellen oder Hilfe bei der Anmeldung und Durchführung von Versammlungen geben.” Aha. Sollte nun jemand an den etwas aus dem Ruder gelaufenen „Tag X” denken, ist das natürlich wiederum ein Zufall. Immerhin hat auch SAY IT LOUD e.V. auf seiner Homepage ein Impressum. Ok, juristische Kleingeister könnten bemängeln, dass dieses Impressum nicht auf der Startseite, sondern nur über die Schaltfläche „Kontakt” erreichbar ist, aber das ist Korinthenkackerei. „Mer muss och jünne künne”, heißt es in Köln. Vor allem deshalb, weil dieses Impressum mit offenem Visier daherkommt und sogar Namen nennt; bekannte Namen. Neben dem bereits genannten Nichtmehr-Anwalt findet sich dort auch eine kulturaneignende, weil rastabezopfte Sozialdemokratin (Vorsicht, Gendersterne!) sowie weitere tapfere Sozialisten. Noch ein Schmankerl für IT-affine Kenner: Der E-Mail-Server läuft bei systemli.org Eigenwerbung: „Das Projekt richtet sich insbesondere an linkspolitische Aktivist*innen und Menschen, die ein besonderes Datenschutzbedürfnis haben.” Wer hier den Link vermisst: Auf „sowas” setze ich keine Links, dann schon eher hierhin. 😉
Und nun? Lehne ich mich ganz entspannt zurück und denke an das Neutralitätsgebot, dem sich die einstige Universität Leipzig verpflichtet fühlt. Sicher ist es nur ein Zufall, dass das Wissen darüber noch nicht in Einrichtungen wie dem zur Uni gehörenden Botanischen Garten angekommen ist. Oder (weil ich ja schon einmal aus der Kölner Fremdsprache zitiert habe) gilt hier das Motto „Et hätt noch immer jot jegange”? Und nun noch eine Frage zur „Leipziger Volkszeitung”, die die Terminänderung so brav ins Blatt gehoben hat. Was machen die Leute eigentlich beruflich? Haltungsturnen? -ad
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