Ewigkeit ist relativ im besten Deutschland aller Zeiten
Der Gemeinderat „meines” Dorfes hat mit einfacher Mehrheit die Abschaffung der Schwerkraft beschlossen. Warum? Weil viele Menschen sich bei Stürzen verletzen. Ohne Schwerkraft werde es künftig keine Unfälle durch Stürze mehr geben, heißt es in der Beschlussvorlage. Außerdem werde die Gefahr durch umfallende Bäume und herabsausende Dachziegel eliminiert. Sie halten das für bescheuert? Dann schauen Sie mal in den Deutschen Bundestag!
Natürlich hat es diesen Beschluss in meinem Dorf nie gegeben. Die Schwerkraft gibt es gewissermaßen „per Gesetz” und niemand würde auf die Idee kommen, sie per Gemeinderatsbeschluss abzuschaffen. Selbst die ideologischen Traumtänzer in der Ratsversammlung der nahen Stadt Leipzig würden das nicht tun. Na gut, zumindest die Mehrheit würde erkennen, dass es Blödsinn ist. Für die bunten Wünschdirwasabgeordneten würde ich meine Hand nicht ins Feuer … aber halt, ich schweife vom Thema ab.
„Schauen Sie mal in den Deutschen Bundestag!” hatte ich eingangs formuliert. Ja, im Bundestag geht sowas. Nein, nicht mit Abschaffung der Schwerkraft; also noch nicht (Wobei ich mir auch da nicht bei allen Mandatsträgern sicher wäre.). Was hingegen im Deutschen Bundestag klappt, ist die Abschaffung von naturgesetzgleichen Grundrechten per einfacher Mehrheit.
Wer sich gelegentlich mit dem Grundgesetz (GG) beschäftigt (und das sollte man wirklich tun), dürfte wissen, dass das GG und insbesondere die darin in den Artikeln 1 bis 20 formulierten Grundrechte nicht mal eben per Federstrich zu ändern sind. Um am GG herumzupfuschen, bedarf es lt. Artikel 79 GG einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Absatz 3 dieses Artikels legt zudem fest, dass die Grundrechte aus den Artikeln 1 bis 20 selbst mit größtmöglicher Mehrheit nicht angefasst werden dürfen. Diese Ewigkeitsklausel wäre nur auszuhebeln, indem das GG abgeschafft und durch eine neue Verfassung ersetzt wird.
Soweit die Theorie. Die Praxis sieht leider anders aus.
Wie das funktioniert, konnte man während der Corona-P(l)andemie sehr schön verfolgen. Daran beteiligt waren juristische Nichtkoryphäen wie Bankkaufmann Jens Spahn (ehe jemand die Hand hebt: Ja, er hat auch Politikwissenschaft fernstudiert, aber die Berufsausbildung zum Bankkaufmann scheint mir doch der höherwertige Abschluss zu sein) und Schrödingerarzt Dr. Karl Lauterbach (Warum Schrödinger? Das ist wie mit Schrödingers Katze … beim Lesen seiner Biographie weiß ich nie, ob er eigentlich Arzt ist oder nicht). Beide genannten Herren sägten am Grundgesetz während ihrer Amtszeit als Bundesgesundheitsminister.
Sie taten das nicht per Frontalangriff, sondern spielten über Bande. Als Werkzeug diente das Infektionsschutzgesetz (InfSchG). Diesem ansonsten friedlich vor sich hin dümpelndem Gesetz bescherten sowohl Spahn als auch Lauterbach während der P(l)andemie eine Vielzahl von Änderungen. Diese wurden teils offen vorgenommen und kommuniziert, zum Teil aber auch geschickt versteckt. Selbst die zumeist eher brave und staatsnahe Wikipedia berichtet von der cleveren Methode des Omnibusverfahrens, bei dem die Änderung des InfSchG einem anderen Gesetz angehängt und beides zu sehr nächtlicher Stunde beschlossen wurde. Konkret: Die Änderung des InfSchG fuhr Ende Juni 2021 „im Omnibus” einer Stiftungsrechtsreform einen Tag vor der parlamentarischen Sommerpause heimlich ins Ziel.
Doch zurück zu den Grundrechten bzw. deren Aufhebung. Im Zuge der wiederholten Änderungen des InfSchG wurden zahlreiche Grundrechte aufgehoben. Falls sich noch jemand erinnert: Es betraf das Recht auf Freizügigkeit (Ausgangssperren und maximale Bewegungsradien) ebenso wie Eingriffe in die Versammlungsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Brief- und Fernmeldegeheimnis, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und vieles mehr. Wer sich durch den drögen Gesetzestext quält, wird weitere Delikatessen finden …
Noch einmal: Diese Grundrechtseinschränkungen (und Eingriffe in viele andere Gesetze, die quasi als diktatorischer Beifang mit ins Netz gingen) erfolgten mit einfacher Mehrheit des Bundestages. Sie erfolgten auf Basis von Informationen, die nicht nur falsch waren, sondern – wie die freigeklagten RKI-Files zeigen – regelmäßig das Resultat bewusster Manipulationen waren.
Dass nun Gerichte verschiedene Angriffe auf die garantierten Grundrechte als verfassungswidrig bewerten, ist erfreulich, aber nur ein schwacher Trost. Es zeigt doch sehr deutlich, wie einfach es mit hinreichender politischer (um nicht zu sagen: krimineller) Energie ist, in einer vermeintlich stabilen Demokratie die Weichen in Richtung Diktatur zu stellen und wie schwer es ist, dieses kriminelle Handeln aufzuarbeiten; ganz zu schweigen davon, es angemessen zu ahnden. -ad
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