26 Februar 2024

Gott mag alles sehen, aber Amazon weiß alles.

Jeder Amazonkunde kennt die mehr oder weniger passenden Empfehlungen. Kürzlich empfahl mir der Algorithmus Laborzentrifugen. Ich hatte bisher nichts in dieser Richtung bestellt oder gesucht, habe mich aber am Tag zuvor mit meiner Frau über Zentrifugen unterhalten. Übrigens habe ich weder Siri noch Alexa und auf meinem Smartphone keine Sprachdienst aktiviert. Das machte mich neugierig …

Natürlich weiß ich um die Feinheiten, mit denen Amazon seinen Kunden neue Käufe nahelegt. Ich wundere mich längst nicht mehr, wenn ich seltsames Zeugs angeboten bekomme, für das ich mich nie interessiert habe. Schuld ist dann meine Frau, die mit der selben IP-Adresse wie ich ins Netz geht und WasweißderFuchs gesucht hat. Aber die Sache mit den Zentrifugen irritierte mich dann doch. Um Missverständnisse zu vermeiden: In unserem Gespräch über Zentrifugen war es nicht etwa ums Bombenbasteln oder ums Kochen von Methamphetamin gegangen, sondern um das zügige Klären einer Sauce. Mein Kommentar: „Man könnte dazu eine Zentrifuge verwenden. So wie im Labor, um einen Niederschlag abzutrennen. Nur größer, damit der ganze Topf reinpasst.” Außer meiner Frau und der verschwiegenen Katze hatte sich nur das Smartphone im Raum befunden.

Nachdem ich am nächsten Tag alle Einstellungen geprüft und festgestellt hatte, dass da nichts, aber auch gar nichts Gesprochenes hätte den Raum digital verlassen dürfen, forschte ich bei Amazon nach den Datenschutzeinstellungen. Es war gar nicht so kompliziert: „Mein Konto”, dann ganz nach unten zu „Daten und Datenschutz”, nun auf „Meine Informationen anfordern”, als gewünschte Datenkategorie „alle” angeben, E-Mail-Adresse eingeben und los.

Eine Woche später kam die Nachricht, dass meine Daten zum Herunterladen bereitstehen. Wenig später landete ein reichlich 200 MB große Zip-Datei auf meinem PC. Sie enthielt hunderte Ordner, darin jeweils eine oder mehrere Excel- bzw. json-Dateien. Da ich weder Alexa noch irgendwelche Sprachdienste nutze und mich weigere, mein Haus „smart” zu machen, waren einige der dennoch vorhandenenDateien leer bzw. enthielten bei der Auflistung möglicher Dienste das Attribut „false”.

Bei den nichtleeren Dateien wurde es spannend: Alles, wirklich alles ist dokumentiert. Jede meiner bisher getätigten Suchanfragen ist ebenso akribisch dokumentiert wie jede geleistete Zahlung, der Versand jeder Bestellung, aber auch meine Reaktion auf ausgespielte Werbung. Vor Jahren zum Versand an Dritte genutzte Postadressen finden sich im kaum zu überblickenden Datenwust ebenso wieder wie getätigte Rücksendungen, Anrufe beim Service sowie Datum und Uhrzeit eines jeden Mausklicks. Natürlich war auch jedes Endgerät aufgelistet, das je in meinem Account angemeldet war, genau wie jedes Buch, das auf dem von mir gekauften Kindle gelesen wurde und jede Kreditkarte, die irgendwann einer Zahlung diente. Ich hatte einen Film ausgeliehen? Aktenkundig. Einfach so zum Nulltarif gestreamt? Natürlich auch aktenkundig; einschließlich der Information, wie oft ich einen Film gesehen sowie ob und wann ich den Datenfluss unterbrochen hatte.

Bis dahin war ich lediglich beeindruckt, aber nicht wirklich überrascht. Das kam, als ich in Verzeichnisse wie Retail.AutomotiveEU.Garage oder HomeServices.HomeInnovationTechnology.Pets schaute. Dass ich dort Baujahr und technische Daten meines alten Landrovers fand, konnte ich noch nachvollziehen, denn irgendwann hatte ich nach Wischerblättern gesucht. Aber dass auch meine Katze („Pets”) hinterlegt ist, machte mich stutzig. Woher weiß Amazon ihr Geburtsdatum? Woher, dass ich meinen aus Griechenland stammenden Wirtschaftsflüchtling „Griechische Mistkatze” nenne?

Das Rätsel um die mir empfohlenen Laborzentrifugen habe ich übrigens noch nicht lösen können. Ich bin aber guten Mutes, denn schließlich habe ich ja noch um die 150 MB an Daten vor mir …  -ad


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Verfasst 26. Februar 2024 von admin in category "Aktuelles", "Wunderliches

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