1 Dezember 2020

Blasmusik, schmerzlich gesägt.

Blasmusik ist Geschmacksache. Manchmal tut sie sogar weh. Nein, ich rede jetzt nicht von der getröteten Musik, die ich bei einer Hochzeit in Kairo erleben durfte. Ich rede von einer unfreiwilligen Exkursion in die Welt der Holzblasinstrumente, die mir meine Kreissäge bescherte. Landläufig gilt eine solche ja als Inbegriff der Schrilltonerzeugung und so wäre es durchaus unschicklich, die Stimme einer Frau auch nur entfernt mit dem Klang einer Kreissäge zu vergleichen – selbst dann, wenn dies zuträfe. Doch es geht schlimmer als „Kreissäge pur”. Weiterlesen

16 April 2016

Asylbusiness. Oder: Norddeutsches Cleverle

Kürzlich hatte ich das sehr zweifelhafte Vergnügen, bei einer Kesselgulaschparty ein mir nicht nahestehendes Paar wiederzutreffen, dass ich glücklicherweise seit Jahren nicht gesehen hatte. Die beiden sind Ende 60/Anfang 70 und stammen aus Norddeutschland. Irgendwo nahe Ratzeburg betreiben sie so etwas ähnliches wie eine Jugendherberge. Sollten die Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches sich nun fragen, was ich mit „so etwas ähnliches” meine, so sei ihnen folgendes verraten: Ich hatte vor mehr als einem Jahrzehnt das recht traumatische Erlebnis eines Aufenthaltes in diesem Etablissement und erlebte ein heruntergekommenes Anwesen mit 60er-Jahre-Flair und einem Berg längst überfälliger Investitionen, hinter dem sich der Großglockner locker verstecken ließe. Für Spätmerker: Mehrbettzimmer mit NVA-Flair, Waschräume mit Gemeinschaftströgen und PVC-Hähnen (natürlich Kaltwasser), eine heruntergekommene Küche mit Ekelgarantie sowie eine wirklich schöne Kümmerlingsonne im Speisesaal. Dazu gab’s Preis auf gehobenem Niveau und Aufschläge für das allerkleinste Extra, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Besagte Herberge dümpelte so vor sich hin und sollte vor zwei, drei Jahren zwecks Altersfinanzierung der Eigentümer verkauft werden. Der Erfolg war sehr überschaubar, der einzige Interessente – ein polnischer Unternehmer, der eine Herberge zum Melken von Saisonarbeitern und anderen armen Schweinen einrichten wollte – ist zuverlässigen Quellen zufolge schreiend weggelaufen, nachdem er die Immobilie gesehen hatte. Andere Quellen berichten auch vom zwischenzeitlich misslungenen Versuch eines warmen Abrisses. Die örtliche Feuerwehr hat das Geschäft wohl platzen lassen, da sie schon eintraf, ehe der bis heute geheimnisvolle Brand eines Nebengebäudes infolge Selbstentzündung aufs Haupthaus übergreifen konnte. Blöde dienstgeile Typen …
Also schien es, als müssten die Herbergseltern ihre Ruine für sich und ihr verrottetes Wohnmobil auch künftig behalten.
Aber wer das glaubt, hat die Rechnung ohne Angela Merkel gemacht … jetzt kam die Flüchtlingskrise und mit ihr das unglückliche „Wir schaffen das” und das ganze weitere Elend.
Langer Rede kurzer Sinn: Das Paar mit der vergammelten Jugendherberge vergaß seine bislang eher leitkulturelle Einstellung und wechselte zügig ins Flüchtlingsbusiness. Die wacklige Hütte ist an den Landkreis vermietet, die Küche nun mit fünf neuen Profiherden ausgestattet und das Haus grundsaniert. Doppelstockbetten? Unzumutbar, weg damit. Dass dabei auch die olle Kümmerlingsonne weichen musste, … scheiß drauf, ist eh haram …
Nun leben zur Freude der Nachbarn nette zugereiste Menschen dort, wo sich kürzlich noch Schüler auf Klassenfahrt ekeln durften und meine Bekannten sind begeistert. Nach Leipzig zur besagten Kesselgulaschparty kamen sie mit einem frischen Wohnmobil, auf dem brandneuen iPhone zeigte der stolze Herbergsvater Videos, auf denen seine ach so lieben Gäste zu sehen waren. Und als ich darüber sprach, dass ich mein betagtes Fahrrad mal wieder in Schuss bringen müsste, wollte er es mir gleich abnehmen, um es an die netten Jungs zu verkaufen, die so gern rumfahren. Mal ehrlich: Lieber hol‘ ich die Flex raus und verarbeite den ollen Drahtesel zu handlichen Stücke.   -ad
19 April 2012

Das Glück der geographisch richtigen Geburt. Oder: Warum ich heute mal wieder stolz bin, ein Ossie zu sein.

Zu seiner Herkunft sollte man stehen. Ich bin in der dahingeschiedenen DDR geboren und aufgewachsen. Die geneigten Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen, dass ich ein Problem mit all den Idioten habe, die ihre gleichfalls vorhandene DDR-Biographie verleugnen. Sowas gibt es sogar in meinem Umfeld … Besonders bescheuert finde ich Menschen, die z.B. in Karl-Marx-Stadt geboren wurden, nun aber darauf bestehen, in Chemnitz (so heißt die Stadt heute wieder) zur Welt gekommen zu sein. Stimmt’s, Frau Wille?
Da lob ich mir meinen Vater: Der legte sich schon zu tiefen DDR-Zeiten mit einem Funktionär an, der ihn zum Polen machen wollte. Mein alter Herr ist nämlich in Schlesien geboren, in jenem Teil, der 1927 zweifelsfrei deutsches Staatsgebiet war. Papa schrieb in ein Formular bei der Frage nach Ort und Staat seiner Geburt folglich Deutschland, während der dusselige Funktionär ihn in der „Volksrepublik Polen”, die damals ebensosehr existierte wie Chemnitz 1980, verorten (endlich bekomme ich dieses blöde Modewort mal unter) wollte. Mit dem lautstark vorgetragenen Empörungsruf „Genosse, Du spinnst, ich bin doch kein Pole” brachte mein alter Herr einen angemessenen Ton die Debatte.
Doch zurück zu meiner Biographie. Ich habe vom Tag meiner Geburt an (welcher übrigens ein Sonntag war) 30 Jahre und ein paar Tage in der DDR verbracht. Und heute war ich wieder mal besonders stolz drauf, ein Ossie zu sein.
Warum? Ganz einfach – guckst Du hier: http://www.welt.de/politik/deutschland/article106201680/Ostdeutsche-sind-groesste-Gott-Zweifler-der-Welt.html
Da wird mir und meinen Landsleuten bescheinigt, die weltweit größten Gottzweifler zu sein. Wenn das kein Grund zum Stolz ist, was dann?
Ich glaube nicht an höhere Wesen, ich gehöre keiner Kinderfickersekte an und ich finde den folgenden Satz von Heinrich Heine ziemlich treffend:
„In dunklen Zeiten wurden die Völker am besten durch die Religion geleitet, wie in stockfinstrer Nacht ein Blinder unser bester Wegweiser ist; er kennt dann Wege und Stege besser als ein Sehender. Es ist aber töricht, sobald es Tag ist, noch immer die alten Blinden als Wegweiser zu gebrauchen.”

(erstmalig veröffentlicht auf https://zeitungsdieb.blogger.de/stories/2044296/ und hierher gerettet)

12 Oktober 2009

Herz statt HiTech. Oder: undankbare Gedanken nach einem realsatirischen Festmahl

Wenn man zu einem „Feschtle“ – vulgo: kleines Fest – eingeladen wird, ist das schön. Schließlich gibt es Speis’ und Trank und nette Unterhaltung; oder zumindest sollte es das. Dieses Vergnügen erwartete mich am vergangenen Wochenende. Die Voraussetzungen für einen genüsslichen Abend waren eigentlich gut: Die Einlader bewohnen ein Haus der gehobenen Preisklasse in besserer Lage, ausgestattet mit einer Küche der noch gehobeneren Preisklasse samt allerlei oberfeiner Technik und setzen – soviel weiß ich von früheren Anlässen – für ihre „Feschtles“ ausschließlich Zutaten ein, welche einer ebenfalls deutlich gehobenen Kategorie zuzuordnen sind.
Um es kurz zu machen: Wäre ich nicht durch frühere Veranstaltungen im selben Rahmen vorgewarnt gewesen, hätte ich sicher eine heftige Enttäuschung verspürt. So war ich im Bilde und hielt mich an die eine oder andere nicht zu verderbende Vorspeise, statt knurrenden Magens aufs Hauptgericht zu warten. Und auch die Kürbissuppe war, obgleich nicht inspiriert zubereitet, so doch zumindest erträglich. Trotz der Jakobsmuschel. Wenn die Dinger halt weg mussten …
Am Hefeweizen nippend, schaute ich dem Braten zu, der im exklusiven Ofen vor sich hin garte, natürlich per fest installiertem Bratenthermometer permanent kerntemperaturüberwacht. Als dieses Messinstrument die gewünschte 64 Grad meldete, wurden feine Brokkoliröschen dem schonenden Dampfgarer anvertraut und irgendwann gab es den Hauptgang auf die vorgewärmten Teller.
Das kulinarische Erlebnis lässt sich in gute und schlechte Nachrichten fassen. Die gute Nachricht: Das sauber geschnittene Fleisch war perfekt gegart, der edle Brocken zeigte im Anschnitt genau den Hauch von Röte, der Gourmets verzückt grunzen lässt.
Die schlechten Nachrichten waren leider in der Überzahl und ergossen sich auf mich beim ersten Probieren: Trotz des elektronischen Overkills und der noblen Küchenausstattung war der Hauptgang allenfalls lauwarm und weitestgehend geschmackfrei.
Unfreiwilliger Höhepunkt des aufwändig inszenierten Kulinarmassakers war für mich der vermeintlich schonend dampfgegarte Brokkoli, der die Konsistenz von Brühreis aufwies und auch so ähnlich schmeckte – nämlich nach nichts, auf alle Fälle nicht nach Brokkoli.
Da ich im Vorfeld derartiger „Feschtles“ zumeist auf Friedenswahrung gebrieft werde, verzichtete ich auf Kommentare zum Ausmaß der Genussexplosion ebenso wie auf den feilgebotenen Nachschlag und das Dessert. Weil: Schlimmer geht bekanntlich immer. Und auch an Muffins kann man viel verderben. Schließlich muss ich ja in dieser Woche wieder arbeiten.
Die essensbegleitende Konversation hätte durchaus das Zeug zur Realsatire. Die Gastgeberin lobte ihren Göttergatten für das Mahl und versuchte, eine verbale Lobeslaola dafür zu inszenieren, dass dieser den Tag in der Küche zugebracht hatte. Meinen Gedanken, dass er diese Zeit sinnvoller hätte nutzen können, behielt ich für mich.
So wie viele andere Gedanken an diesem Abend. Das war nicht etwa einer Redehemmung geschuldet, sondern der psychischen Verfassung der Gastgeberin: Den Namen der Krankheit kenne ich nicht, sie äußert sich aber darin, dass Fragen nur zu dem Zweck gestellt werden, sie auch gleich selbst zu beantworten und über vermeintliche, eigene Bonmots auch noch selbst zu lachen. Da ich nicht wusste, ob es sich dabei um einen neuen Therapieansatz oder nur eine Art von Verbalmasturbation handelte, schwieg ich und genoss das bizarre Schauspiel. Für solcherart Unterhaltung muss man ansonsten Fernsehgebühren zahlen.

Auf der Heimfahrt bewegten mich vor allem zwei Gedanken.
Zum einen grübelte ich über Vorratsausreden nach, um mich von künftigen „Feschtles“ befreien zu können.
Zum anderen lobte ich die unerfindlichen Wege des Schicksals, die mich mit einer Ehefrau gesegnet haben, mit der man sich angenehm unterhalten kann und die zu allem Glück eine exzellente Köchin ist. Auch ohne Nobelküche samt Bratenonlineüberwachung, dafür aber mit der notwendigen Portion „Herz“ …

24 September 2009

Selbstlose Seelenjäger ohne Feuer und Schwert. Oder: Sektenalarm im Leipziger Rathaus.

Meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, hat mir heute wieder viel Freude beschert. Nein, es geht nicht vordergründig um die Werbung für das Buch „Nachdenken über Leipzig“, ein verlegerisches Eigengewächs, die heute in der hölzernen LVZ und in der Online-Ausgabe http://www.lvz-online.de/aktuell/content/111984.html an exponierter Stelle nachzulesen ist. Natürlich ist das wieder einmal ein feiner Verstoß gegen den Pressekodex, aber das juckt doch bei diesem als Abo-Zeitung getarnten Anzeigenblatt längst niemanden mehr. Weiterlesen

8 Juli 2008

Funkstille unterbrochen: Neues von der schönen Landrätin. Oder doch nicht?

Der folgende Beitrag wurde ursprünglich hier https://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1171859 veröffentlicht.

Einige Wochen sind ins Land gegangen, seit sich die schöne SPD-Landrätin Petra Köpping gegen den viel weniger schön anzuschauenden CDU-Kandidaten Gerhard Gey eine Schlappe eingefangen hat. Einige Spekulationen um ihre Zukunft schossen ins Kraut (guckst Du hier: https://laufendegedanken.de/aktuelles/saechsisches-klu…geht-nicht-unter/ ), aber ansonsten geschah nichts. Außer, dass Petra Köpping einige Tage in Österreich pausierte. Doch auch nach ihrer Wiederkunft im so undankbaren Deutschland blieb es still um Sachsen-Pauli.
Auf der Homepage www.petra-koepping.de prangten noch immer die letzten Durchhalteaufrufe und Siegesparolen. Von wegen, nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern! Ein Webauftritt von vorgestern ist viel älter.

Doch nun kreiste der Berg und gebar – eine neue Startseite. Auf ihrer HP begrüßt die designierte Ex-Landrätin ihr Wählervolk wie folgt:

„Liebe Bewohner des Landkreises,
auf diesem Wege möchte ich mich ganz herzlich für Ihre Unterstützung meines Wahlkampfes um das Amt des Landrates/Landrätin des neuen Landkreises Leipzig bedanken.
Die Wahlergebnisse haben gezeigt, dass die Wähler im ehemaligen Landkreis Leipziger Land mir und meiner Politik ein sehr großes Vertrauen entgegengebracht haben. Das allein hat leider nicht gereicht, die Landratswahl im neuen Landkreis Leipzig zu entscheiden.
Als Landrätin die Geschicke des Leipziger Landes mitzugestalten hat mir sehr viel Freude gemacht. Ich wusste mich bei dieser Tätigkeit unterstützt von einem qualifizierten, erfahrenen und engagierten Team. Über das normale Pensum der Verwaltungsarbeit im Landratsamt hinaus, hatte ich so die Möglichkeit, mit der Unterstützung vieler, dem Landkreis Leipziger Land eine eigene Identität zu geben.
Gemeinsam können wir stolz auf das Erreichte sein. Vieles gibt es noch zu tun, wartet auf Weiterführung und Vollendung.
Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihre Petra Köpping“

Ich war so frei, den Text original zu übernehmen. Man weiß ja nie, wie lange diese Perle am ursprünglichen Orte zu lesen sein wird.
Dass Petra Köpping sich wieder im bewährter „Liebe Neger“-Weise an ihre „nun doch nicht“ Untertanen wendet, ist ihr gutes Recht. Dass sie ihren Landkreislern dankt und „die da aus dem anderen Kreis“ für die Niederlage verantwortlich macht, auch. Aber nur die halbe Wahrheit (oder eine halbe Lüge). Schließlich erzielte die schöne Landrätin in ihrem Heimatrevier eben keine 100 Prozent, sondern auch dort konnte der Gegenkandidat Stimmen einfahren. Wer’s nachlesen will: http://www.statistik.sachsen.de/wpr_neu/pkg_w04_nav.prc_index?p_anw_kz=LR08 (Der Link ist leider inzwischen tot)

Dass die gescheiterte Kandidatin allerdings nur den Wählern aus ihrem Noch-Landkreis dankt und die Schar der Köpping-Wähler im „feindlichen Kreisgebiet“ nicht mit einem huldvollen „Liebe-Neger-Lächeln“ bedenkt, ist stillos. Aber nicht schlimm.

Ein wenig besorgt stimmt mich das Ende des Köppingschen „Die-Welt-ist-so-schlecht-zu-mir-Traktates“.
Dort steht:
„Vieles gibt es noch zu tun, wartet auf Weiterführung und Vollendung.“
Das lässt Schlimmes vermuten. Ich hatte schon gehofft, dass die gute Frau demnächst in einer Auswanderer-Doku zu sehen sein wird. War ja wohl nichts.
Immerhin hat sie kürzlich ihre Homepage umgemeldet. Bisher hatte Petra Köpping bei der denic eine Adresse angegeben, die der ihres Landratsamtes aufs Haar glich. Nun steht dort „Petra Koepping, Koburger Strasse 229, 04416 Markkleeberg“.
Unter dieser Adresse residiert übrigens der Verein Blaues Haus e.V. Es folgt ein unverändertes Zitat aus der Selbstdarstellung, nachzulesen hier: http://www.designtempel.de/galerien_galerie/markkleeberg/blaues_haus_markkleeberg.htm (Der Link ist leider inzwischen tot)

„Blaues Haus e.V. ist ein Verein, der jene Künstler fördert, die es schwer haben in der Kunstszene Fuß zu fassen. Der Verein beratet junge oder noch unbeachteten Künstler, indem er ihnen Durführungsmöglichkeiten und Konzepte für Ausstellungen vorschlägt. Das Ziel des Vereins ist es, die öffentliche Aufmerksamkeit zu auf sein Programm zu ziehen und so versucht, verborgenes Kunstschaffen zu fördern.“

Bleibt zu hoffen, dass die Blauhäusler die rote Petra gut berataten tun.

25 Juni 2008

Sächsisches Klüngelspiel oder: Die rote Petra geht nicht unter

Der folgende Beitrag wurde ursprünglich hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1160578/ veröffentlicht.

Die Frau heißt Petra Köpping und wäre so gern meine Landrätin geworden. Aber sie hat’s vermasselt, zum Glück. Nicht, dass ich etwas gegen Frauen in wichtigen Ämtern hätte, nönö.
Aber zurück zu Petra Köpping. Die ist eine echte Powerfrau, war Bürgermeisterin, zwischendurch mal im Außendienst einer Krankenversicherung, gehört seit einiger Zeit der SPD an ist zurzeit noch Landrätin des noch-Landkreises Leipziger Land. Und das wäre sie wohl bis ans Ende ihrer Tage geblieben, hätte es in Sachsen nicht die Verwaltungs- und Funktionalreform gegeben. In deren Verlauf wird der bisherige Landkreis Leipziger Land mit dem bisherigen Muldentalkreis zum Landkreis Leipzig zwangsvereint. Dabei büßt die Muldentalhauptstadt Grimma ihren Status als Kreissitz zugunsten von Borna ein.
Diese Entscheidung sorgte für großen Ärger und allerlei Klagen vor Gericht, denn Borna liegt am Rand des künftigen Großkreises und hat auch sonst eher schlechte Voraussetzungen zur Hauptstadt … Aber hier wurde, so die Kläger gegen die Kreissitzentscheidung, durch Regierung und Landtag nicht nach Sachlage, sondern im Ergebnis einer heftigen parteipolitischen Kungelei entschieden. In Sachsen regiert eine CDU-SPD-Koalition (von „groß“ kann man angesichts der Wahlergebnisse nicht reden) und der Juniorpartner musste auch ein wenig gekrault werden.
Und weil der bisherige Landkreis Muldental in Gestalt von Dr. Gerhard Gey (CDU) ebenfalls einen Landrat in die Zwangsehe einbringt, musste um die Besetzung dieses Postens gefochten werden. Beide Kandidaten zogen ins Feld, um Wählerstimmen zu sammeln. Eigentlich hatte die smarte Petra Köpping klar die besseren Chancen. Dass sie einen Machtinstinkt wie Andrea Ypsilanti hat, sie man der braunäugigen Landrätin nicht an. Sie kommt ein wenig wie Gabriele Pauli daher, ist eine begnadete networkerin (so heißt das wohl heute), weiß ihre Reize einzusetzen und den sechszackigen Stern, den sie am Hals trägt, auch. Oder auch nicht, wie zum Beispiel beim Aufmacherfoto ihrer Homepage www.petra-koepping.de – man will ja gewählt werden und da fällt der Stern dann schon mal der Schere zum Opfer.
Ihr Gegenkandidat beim Kampf ums Landratsamt ist Dr. Gerhard Gey. Er hat das Amt im Muldentalkreis seit 1990 inne, ist ein eher geradliniger, knochiger und auch mal knorriger Typ. Und er schien gegen die flotte, sieggewohnte Landrätin mit all ihren Verbindungen und Fäden, die zudem ein Medienliebling ist, nicht wirklich eine Chance haben.
Hatte er aber doch. Bei der Landratswahl am 8. Juni fehlten Gey nur wenige Stimmen zur absoluten Mehrheit – und das, obwohl auch FDP und Linke Kandidaten ins Rennen geschickt hatten. Mit über 48 Prozent verwies er die in den unteren Dreißigern herumdümpelnde Petra Köpping an den Katzentisch.
Bei der Stichwahl am 22. Juni (diese war genau genommen keine Stich- sondern eine Neuwahl, so will es das sächsische Wahlgesetz) kam es zum Showdown zwischen Köpping und Gey. FDP und Linke hatten ihre Bewerber zurückgezogen. Die Linke gab fürs Leipziger Land eine Wahlempfehlung pro Köpping ab, im Muldental schwiegen die Genossen, weil sie eben diese Empfehlung nicht geben wollten. Die FDP sprach sich pro Gey aus.
Der Rest ist Statistik: Gerhard Gey ging mit klarem Vorsprung als Sieger aus dem zweiten Wahlgang hervor. Dieses Ergebnis ist – soviel sei gesagt – weniger den Sachthemen und der Programmatik der beiden Bewerber geschuldet, sondern vor allem dem starken Wir-Gefühl im Muldentalkreis: Erst hat man uns den Kreissitz weggenommen, nun wollen wir es „denen“ aber zeigen und uns nicht noch den Landrat wegnehmen lassen – so werden Wähler mobilisiert.
Machtfrau Petra Köpping schien um ihre drohende Niederlage schon nach dem ersten Wahlgang zu wissen und biss in den zwei Wochen bis zur Entscheidung um sich wie ein waidwundes Tier. Allerlei Statements und böse Worte ließ sie vom Stapel (guckst Du hier: www.petra-koepping.de). Die Krönung war ein Brief, den die Wähler im Muldentalkreis am Tag vor der Wahl erhielten. In diesem Schreiben buhlte die Möchtegernlandrätin um Stimmen. Die Anrede „Liebe Muldentaler“ ließ mich schmunzeln. Mir fiel dabei ein Film ein, in dem ein deutschkaiserlicher Offizier die unter der Sonne Afrikas angetretenen Bewohner irgendeines Dorfes mit „Liebe Neger“ begrüßte.
Allerdings verging mir das Grinsen schnell, denn die rote Landrätin forderte die lieben Muldentaler auf, wählen zu gehen. „Leider gibt es auch ein starkes, sehr rechtes Wählerklientel, das am 22. Juni mit Sicherheit seine Stimme abgeben wird.“
Moment mal, dachte ich in diesem Moment – wer steht am 22. Juni auf der Liste? In alphabetical order sind dies Dr. Gerhard Gey (CDU) und Petra Köpping (SPD) – wo bitte ist der NPD-Kandidat, den es zu stoppen gilt? Und da sah ich plötzlich die braunäugige Petra vor mir, wie sie mit rot lackierten Lippen zuckersüß lächelte und ein wenig das güldene Sternchen im Ausschnitt ihres Sommerkleides blitzen ließ. Und kräftig mit der großen Keule um sich drosch.
Der Rest ist Geschichte. Die Wähler waren entweder zu klug, um auf solche Bauernfängertricks hereinzufallen oder die Dummen waren zu faul, den Mist zu lesen und/oder an einem sonnigen Sonntag noch mal zur Wahl zu gehen. Wahrscheinlich wohl beides.

Um Petra Köppings Zukunft muss sich übrigens niemand Sorgen machen. Skrupellose und machtgeile Parteisoldaten, die in der Lage sind, die Wahrheit kreativ zu verbiegen und die Realität zu ignorieren, gehen nicht unter. Zur Not können sie in Russland Gasmann werden. Aber soweit muss es nicht kommen. Das sächsische Parteiengeklüngel hält für die smarte Petra eine ganz andere Belohnung bereit. Die rote Powerfrau ist als Regierungspräsidentin im Gespräch – und das ist eine doppelte Ironie. Zum einen wäre sie dann Chefin genau der Mittelbehörde, für deren Abschaffung sie als Landrätin eingetreten ist. Zum anderen hätte sie dann die Rechtsaufsicht über die Landratsämter und – wenn sie sich für das RP Leipzig entscheiden sollte – damit auch über Dr. Gerhard Gey.