Wahlurne im Rathaus, gepriesen seiest Du, geheiligt Dein Name.
2024 ist ein Wahljahr. Europawahl, zeitgleich hier im sächsischen Dunkeldeutschland Kommunal- und ein paar Monate später Landtagswahl. Abgesehen davon, ob es noch rechtzeitig gelingt, das renitente Bergvolk auf Linie zu bringen, stellt sich natürlich die Frage, ob bei der Auszählung der abgegebenen Stimmen alles mit rechten Dingen zugehen wird. Mancher Wähler glaubt ja an die Magie der Wahlurne, durch die aus einer Stimme für die falsche Partei eine für die richtige wird. Dazu ein paar persönliche Betrachtungen aus eigenem Erleben.
Spätestens seit der unsäglichen Blamage in Berlin steht fest, dass Deutschland in puncto Wahlen nicht mehr in der obersten Liga spielt, sondern in der dritten Kreisklasse angekommen ist. Unfähigkeit? Ja! Aber Betrug? Auch hier ist nach meinen Erfahrungen ein deutliches „Ja!” angebracht. Beispiel gefällig? In Halle/S. und in Stendal wurde schon 2014 kreativ ausgezählt. Der Focus berichtete seinerzeit darüber, insgesamt werden solche Vorfälle aber gern als Einzelfälle verharmlost, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf.
Was zeigen diese Einzelfälle? Wenn sich die Helfer in einem Wahllokal einig sind (wie in Stendal) oder der Wahlvorstand unverschämt genug (Halle/S.), ist es leicht, das Ergebnis dieses konkreten Wahllokals zu manipulieren. Schön blöd, wenn Fälscher es übertreiben und ihrer roten Herzenspartei mehr Stimmen zuschanzen, als es überhaupt Wähler gab. Wer’s nicht so plump angeht, kommt in aller Regel mit seinem Betrug durch (War da was in Hamburg?), insbesondere deshalb, da das Thema in den Kommunen nur ungern angefasst wird. Büchse der Pandore und so … In Berlin waren die Bundestags- und die Senatswahl ja auch zunächst vollkommen korrekt, bis dann ein „alternatives Medium” namens Tichys Einblick nachbohrte.
Wahlbetrug der besonderen Art gibt es übrigens bei der Europawahl. Dank der doppelten Staatsbürgerschaft besteht für Wähler die Möglichkeit, in zwei Staaten abzustimmen. Das ist zwar gesetzeswidrig, wird aber gemacht. Prominentester Täter war Zeit-Chefredeakteur Giovanni di Lorenzo, der sich 2014 keiner Schuld bewusst war, da er schließlich in Deutschland und Italien eine Wahlbenachrichtigung erhalten habe.
Nur zu gern wird aber ein weit geöffnetes Einfallstor für Manipulationen übersehen: Die Briefwahl, die ja nach dem Buchstaben des Gesetzes eher die Ausnahme denn die Regel sein sollte, längst aber zum Regelfall geworden ist. Der Anteil der Briefwähler ist seit ihrer Einführung von 4,9 Prozent (1957) auf 47,3 Prozent (BTW 2021) gestiegen. Die OSZE sieht das durchaus skeptisch: „Obwohl die rechtlichen und administrativen Verfahren für die Briefwahl mit dem Ziel entwickelt worden zu sein scheinen, der Freiheit und Beteiligung der Wählerinnen und Wähler Vorrang zu geben, sollte überlegt werden, die bestehenden Sicherungsmechanismen gegen den potenziellen Missbrauch des Briefwahlsystems auf ihre Eignung zu überprüfen.” Quelle
Diese Art der Wahl ist in doppelter Hinsicht magisch. Da gibt es zum einen die Briefwahl der Siechen und Schwachen, die am Wahlsonntag nicht selbst zur Urne schreiten können, sondern ihre Stimme vorab aus der Ferne abgeben, gern auch noch ihren Betreuer fragen, wo denn das Kreuz zu machen sei, sofern dieser nicht selbst aktiv wird und den Hochbetagten oder Minderbemittelten zur richtigen Stimmabgabe berät bzw. das Kreuz gleich selbst setzt. Die von dem Juristen Ulrich Vosgerau (Achtung, keine SSL-Verschlüsselung) in einem Vortrag beschriebene Gefahr der Beeinflussung bei der Stimmabgabe im migrationshintergründigen, großfamiliären Umfeld gibt es sicher, aber die Gefahr in der einen oder anderen sozialen Einrichtung ist nicht geringer.
Zum anderen birgt die Briefwahl eine Tücke insofern, dass sie nicht am eigentlichen Wahlsonntag stattfindet, sondern zuvor¹ über einen festgelegten Zeitraum erfolgt. Die Wahlurne steht während dieser Zeit aufnahmebereit in einem Büro und wird mit den im Rathaus eingetrudelten Wahlbriefen gefüttert. Gelegentlich bringen pflichtbewusste Demokraten ihren Umschlag auch persönlich, Plausch mit den Bediensteten inklusive. Natürlich ist die Urne versiegelt und natürlich werden keine Umschläge herausgefischt und natürlich wird selbst dann nichts manipuliert, wenn die Urne nur ein notdürftig verklebter Pappkarton ist. Weil das ja nicht erlaubt ist. Genau.
Einschub: Die Briefwahl ist insofern nicht „geheim”, da der Stimmzettelumschlag zwar neutral ist, aber in einen Wahlbrief-Umschlag eingelegt wird, auf dem die Wahlscheinnummer des Absenders vermerkt ist. Damit ist eine Zuordnung der Sendung zum Absender, d.h. zum konkreten Wähler möglich. Würde der Umschlag eines notorischen „Falschwählers” versehentlich in den Häcksler fallen. wäre das nicht nachweisbar. Aber sowas tut ja niemand in einer echten Demokratie.
In ihrem Artikel über Briefwahl geht die deutsche Wikipedia auch auf diese erhöhte Anfälligkeit für Manipulationen ein. Die verlinkten Beispiele sind nicht sonderlich aktuell, aber man darf wohl davon ausgehen, dass mit dem gewachsenen „Marktanteil” der Briefwahl auch die Manipulationen zugelegt haben.
Nachtrag 19. Juli 2024: Mit dem Thema „Briefwahl ist Möglichkeit für massive Wahlfälschungen” befasst sich der Fassadenkratzer in einem sehr lesenswerten Beitrag.
Wer es genauer wissen will, schaue sich die Wahlergebnisse seines Bundeslandes an. Ich habe das für die Bundestagswahl 2021 im Freistaat Sachsen getan. Beim Statistischen Landesamt des Freistaates Sachsen lässt sich dazu eine ganz und gar nicht barrierefreie, sehr sperrige Exceltabelle herunterladen. Dieses Monstrum beinhaltet die in allen 4524 sächsischen Wahlbezirken ausgezählten Ergebnisse, d.h. den festgestellten Inhalt jeder Wahlurne, ganz gleich ob es um einen der 3436 Direkt- oder einen der 1088 Urnenwahlbezirke handelt.
Mit etwas Geduld und blankgeputzten Brillengläsern kann man sich bis zu seiner eigenen Gemeinde bzw. seinem Wahlbezirk durcharbeiten und findet die Anzahl der für jede einzelne Partei bzw. jeden Direktkandidaten abgegebenen Stimmen sowie deren prozentuale Verteilung. Nun folgt die gleiche Übung für die Briefwahlbezirke der Gemeinde. Das Ergebnis: Es gibt Unterschiede, die von kaum spürbar bis zu 10 und mehr Prozentpunkten Abweichung für eine Partei ausmachen. Das muss kein Zeichen für Manipulationen sein, denn sowohl die Parteipräferenzen als auch die Nutzung der Briefwahl variieren altersabhängig. Hinzu kommt, dass die Briefwahl in großen Städten stärker als auf dem Land genutzt wird, dass die Städte in Sachsen rot, das flache Land aber vor allem blau bzw. schwarz wählen usw.
Wer bis hierhin durchgehalten hat, sollte sich jedoch vergleichbare Gemeinden anschauen. Im Klartext: Man nehme sich die Ergebnisse von drei oder mehr Gemeinden vor, die hinsichtlich ihrer Lage (z.B. Speckgürtel einer Großstadt oder „Nordsächsischer Arsch der Welt”), ihrer Einwohnerzahl und ihrer Altersstruktur in etwa vergleichbar sind. Nun schaue man sich die wie zuvor beschrieben die Unterschiede zwischen Brief- und Urnenwahl für die einzelnen Parteien an. Zu erwarten wäre, dass diese Gewinne bzw. Verluste für die Parteien in vergleichbaren Gemeinden zumindest ähnlich ausfallen. Tun sie das nicht, besteht Klärungsbedarf. Gibt es in Gemeinde x womöglich ein grünes Musterwohngebiet oder in Gemeinde y eine böse rechte Siedlung? Lässt sich keine leidlich plausible Erklärung finden, wirft das die Frage auf, ob bei der Wahl alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Sicher gibt es für solcherlei Auswertungen auch eine maßgeschneiderte Software, die aber zumindest in Sachsen nicht im Einsatz gewesen sein dürfte. Wäre sie es, hätten im Büro das Landeswahlleiters sicher einige rote Lämpchen geblinkt …
Natürlich liegt es mir fern, jemandem etwas zu unterstellen. Allerdings weiß ich dank meiner rein privaten Wahlauswertung eines: Ich werde in diesem Superwahljahr um nichts in der Welt von der Briefwahl Gebrauch machen. Da liegt für meinen Geschmack zu viel Magie in der Luft. -ad
¹ Da die Briefwahl vom eigentlichen Wahltag abgekoppelt ist und in dessen Vorfeld mit einem gewissen zeitlichen Abstand stattfindet, geben die Wähler die Möglichkeit zur Willensbildung vorfristig aus der Hand. Mit dem Einwerfen des Wahlbriefes in den Kasten ist die Stimme unwiderruflich abgegeben. So können aktuelle Entwicklungen – der berühmte Skandal zwei Tage vor der Wahl – nicht mehr in die Willensbildung einfließen, aber auch Tote gewählt werden.
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