10 Mai 2024

Der, dessen Name nicht genannt werden soll. Oder: verbotene Worte.

Kürzlich habe ich es wieder getan. Ich habe dieses Wort gebraucht, dieses verruchte, schlimme Wort. Ja, genau. Dieses Wort, dem der Duden einen „Besonderen Hinweis” beifügt. Dieses böse Wort, das während meiner Grundschulzeit (die damals nicht so so hieß) sogar in einem Lied vorkam. Ich gestehe: Ich habe „Neger” gesagt. Nicht als Schimpfwort, sondern um eine (lt. Duden) „männliche Person von [sehr] dunkler Hautfarbe” zu benennen.  Es lohnt sich übrigens, über Worte dieses nachzudenken, um nicht selbernannten woken Sittenwächtern auf den Leim zu gehen. 

Eine Warnung vorweg: Die folgende Gedankensammlung ist etwas länger ausgefallen. Wer mich auf meinem Exkurs begleiten will, möge sich von inneren Drücken befreien, ein ihm genehmes Getränke zur Hand nehmen und eine bequeme Position einnehmen. Fertig? Dann los …

Sprechverbote sind offensichtlich ein Thema, seit Menschen sich der Sprache bedienen, nicht erst seit dem 4. Gebot, Schon die ersten Menschen pflegten ihren Aberglauben, hüteten sich davor, Dinge zu beschreien … In Ägypten ließen Pharaonen die Erinnerung an Vorgänger per Steinmetzarbeit „verschwinden”, bekanntestes Beispiel einer solchen Unperson ist Echnaton. Wer es neumodischer mag: In den Harry-Potter-Büchern gibt es Lord Voldemort, der nur als „der, dessen Namen nicht genannt werden darf” bezeichnet wird. Nur Harry wagt es …

Ein wenig schräg wird es, wenn Wort verschwinden sollen, weil sie von Falschdenkenden missbraucht werden bzw. missbraucht werden könnten. Oft genug ist mir in Gesprächen die Auffassung begegnet, dass man diese oder jene Vokabel nicht verwenden dürfe, weil sie doch auch „von Rääächts” verwendet werde. Beispiel gefällig? Wie wär’s mit „Lügenpresse”? Dieses Wort lässt sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts nachweisen. Es wurde von den Nutzern unterschiedlich adressiert, mal als Rundumschlag gegen jegliche Presse, dann gegen die jüdische Verlage und deren Berichterstattung. Die noch junge deutsche Sozialdemokratie nutzte den Schmähruf häufig, um die ihr nicht wohlgesonnenen Zeitungen der preußischen Presselandschaft zu kritisieren. Wie sich die Zeiten doch ändern. Heute gehört der SPD mit der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft GmbH nicht nur ein hochprofitables Unternehmen, das reichlich Kohle in die rote Kasse schüttet, sondern auch ein Medienimperium, das (über eigene Verlage und noch mehr über Verlagsbeteiligungen und „Serviceredaktionen”) zu den größten Meinungsmachern in Deutschland zählt.

Wenn mir mein Gegenüber in einer Diskussion dieses oder andere Worte mit der Begründung ausreden will, dass es ja „von denen” belegt sei, erwidere ich stets mit meiner schönsten Unschuldsmine, dass es doch sinnlos sei, Worte nicht mehr zu verwenden, weil „die da” sie benutzen. Die Konsequenz sei doch, dass „die Guten” irgendwann zur Sprachlosigkeit verurteilt seien.

Mich erinnert dieses erzieherische „Man darf das nicht sagen” an Eltern, die einem kleinen Kind die bösen Pfuiworte wegerziehen wollen. Dabei geht es weniger um möglicherweise unfeine Worte als vielmehr darum, über die Sprache das Denken und letzten Endes das Handeln zu kontrollieren. Wer’s nicht glaubt, sollte Orwells „1984” lesen. Stichwort: „Neusprech” (Dazu bei Gelegenheit etwas mehr in den Laufenden Gedanken).

Doch zurück zum Neger. Ich bin alt genug, um dieses Wort nicht als anstößig zu empfinden. Was haben wir als Schulkinder über das fröhliche Lied „10 kleine Negerlein” gelacht, einige Jahre später über die darauf basierende Moritat „10 böse Autofahrer” der Gruppe MTS. Mit neun Jahren schmökerte ich in dem Buch „Die Geschichten von Onkel Remus”, in dem das heute verpönte Wort – mal mit e und häufiger mit noch böserem i geschrieben – selbstverständlich vorkam. Dass meine Mutter sich angesichts dieser Lektüre sorgte, hatte einen anderen Grund: Sie befürchtete, der (eingedeutschte) Slang könnte mein Sprachempfinden verderben (Hat er nicht, ich bin dem sächsischen Idiom treu geblieben.).

Schaue ich mir die Formulierungsangebote der Dudenredaktion an, die dazu dienen sollen, einen Menschen mit dunkler Hautfarbe politisch korrekt zu benennen, gruselt es mich. Einer meiner Mitschüler, dank väterlicher Gene deutlich dunkler als der Rest der Klasse, hätte sich geschüttelt, wäre er in diesem Sinne als Afrodeutscher betitelt worden. Und überhaupt: Warum darf etwas Schwarzes nicht so benannt werden? Wie steht’s um die Porta Nigra in Trier? Was haben sich die Römer dabei gedacht? Und was die apulischen Winzer, die eine dunkle Rebsorte Negroamaro benannten?

Dann wären da noch die alten Griechen, die die dunkelhäutigen Mauretanier als Μαῦρος bezeichneten und unserer Sprache damit über einige Umwege den Mohren bescherten. Den Mohren geht es im grüngewokten Deutschland zunehmend an den Kragen. Selbst dann, wenn ein Mohr höchstselbst sein Gasthaus „Zum Mohrenkopf” betreibt, wittert das weiße Gutmenschentum Rassismus und beißt auch mal in schwarze Waden.

Eine betagte, politisch überkorrekte Botanikerin bereitete mir kürzlich mit ihrem Artikel über die Wilde Möhre eine besondere Freude. Diese Pflanze hat eine weiße Doldenblüte, in deren Mitte sich eine dunkle (sterile) Mohrenblüte befindet. Beim Redigieren des Textes stutze ich, als plötzlich von der Möhrenblüte die Rede war. Ja, ich habe dreckig gegrinst, als ich dem Mohren wieder zu seinem Recht verhalf.

Doch genug der Neger und Mohren. Sie sind ja lediglich Symptome der grassierenden Wokeness-Seuche, die unserer Sprache immer mehr zusetzt. Alle mitnehmen, kein noch so krankes Gewüchs ausgrenzen, außerdem die Vergangenheit argwöhnisch beäugen, damit nichts und niemand heute zu Ehren komme, der vor ein-, zweihundert Jahren etwas heute als anstößig empfundenes gesagt hat oder haben könnte. Karl Marx nannte Ferdinand Lassalle einen „jüdischen Nigger” (nur gut, dass Marx selbst dem auserwählten Volk angehörte), Ernst Moritz Arndt hatte es als Kind seiner Zeit gleichfalls nicht so mit dem Judentum (und sah die Franzosen als Erbfeind) – also tilgt seinem Namen von Straßenschildern und aus Universitäten!

Mehr Glück hatte der Freiheitsdichter und -kämpfer Theodor Körner. Er selbst hatte nichts Böses formuliert, sein Werk wurde „nur missbraucht”. In seinem Gedicht Männer und Buben findet sich die Zeile „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los”, die Propagandaministert Joseph Goebbels 1943 in seiner Sportpalastrede zu „Nun, Volk steh’ auf, und Sturm, brich los!” abwandelte. Da hilf es nicht, dass auch die Widerständler der „Weißen Rose” bei Körners Gedicht bedienten („Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen.”) – wer das Volk aufstehen lässt, bekommt Ärger. So wie jüngst in Dresden. Da wurde ein Mann von der Polizei abgeführt, weil er ein Schild mit dem Körner-Zitat getragen hatte. Dieses sei verfassungsfeindlich, beschieden die Ordnungshüter.

Apropos verfassungsfeindlich. Dass die Phrase „Alles für Deutschland” eben diesen Tatbestand erfüllt, habe ich weder gewusst noch hätte ich es vermutet. Schließlich hieß es 2003, als die Stadt Leipzig zum deutschen Kandidaten für die Olympiabewerbung 2012 gekürt wurde, lautstark „Alle(s) für Leipzig”. Wenn ich das gewusst hätte … wäre ich doch nicht bei der Olympiastaffel mitgerannt.

Update: Zwischenzeitlich ist die Phrase „Alles für Deutschland” im Falle eines gewissen Björn Höcke per Gerichtsurteil mit 100 Tagessätzen belegt worden. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass ein gewisser Gerhard Schröder mit eben diesem Motte 2002 erneut Kanzler wurde. Nachzulesen z.B. im ehemaligen Nachtenmagazin Spiegel.

Andere Phrasen hingegen sind erlaubt. Wer „Jedem das Seine” gebraucht, steht in klassischer Tradition. Diese Redewendung ist seit der Antike ein anerkanntes Rechtsprinzip, als Suum cuique zierte es den preußischen Adlerorden und heute die Barette der Bundeswehrfeldjäger. Dass es am Lagertor des KZ Buchenwald zu lesen war, ändert daran nichts. Tragen es allerdings „gewisse Personen” als Schriftzug auf ihrer Haut, bringt das schon mal acht Monate gesiebte Luft. Übrigens: Als Rechtsgrundsatz steht „Jedem das Seine” für jedermann deutlich lesbar an der Fassade des Landgerichts Halle (wer nachschauen möchte: Google Earth erspart die Fahrt. Vom Hauptportal links halten, dann in die nächste Straße abbiegen (nach rääächts!), dort rääächts hochschauen.). Am LG Halle wird bzw. wurde übrigens gegen einen gewissen Herrn Höcke wegen des volksverhetzenden Gebrauches der Phrase „Alles für Deutschland” verhandelt. Das Leben schreibt die schönsten Geschichten.

Da sich bei den Lesern meiner unbedeutenden Gedankensammlung sicher schon wieder innerer Druck aufgebaut hat, sehe ich zu, dass ich diesen Text zu einem raschen Ende bringe. Aber bitte freuen Sie sich nicht zu früh, ein wenig kommt noch.

Machen wir es doch wie das MiniWahr in 1984. Bereinigen wir unsere Geschichte von Dingen, die ins ach so schöne und woke Heute nicht mehr passen (dürfen). Keine Angst, ich fordere hier nicht den Verzicht auf Autobahnen. Die waren schon vor 1933 geplant, die Nazis bauten sie „nur” und schmückten sich damit. Anders ist es beim Ehegattensplitting. Auch wenn es offiziell erst 1958 in der Bundesrepublik eingeführt wurde; erfunden haben’s irgendwie die Nazis. Stichwort: Frauen in der Produktion. Also weg damit! Dann wäre da noch die allseits beliebte GEMA. Bei diesem Tantiemeneintreibemonopolisten hatten ebenfalls die Nazis ihre braunen Finger im Spiel. Es gab in Deutschland zwar schon vor 1933 allerlei Körperschaften, die sich um Tantiemen für Rechteinhaber kümmerten, aber die Nazis zentralisierten das Geschäft und machten daraus ein Monopol. 1934 sorgte übrigens das Reichsjagdgesetz dafür, dass aus dem Weidmann ein Waidmann wurde. Wer heute also die ai-Variante verwendet, wandelt auf den Spuren von Reichsjägermeister Hermann Göring.

Und was ist mit dem 1. Mai? Also dem (in der DDR) „Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus”, der heute in Deutschland als „Tag der Arbeit” begangen wird und außer nerviger Linksrandalefolklore vor allem noch nervigere Funktionärsreden provoziert. Klar, die Geschichte reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück, aber so richtig salonfähig haben die Nazis den 1. Mai gemacht, in dem sie den „Tag der Arbeit” per Reichsgesetz zum Feiertag adelten.

Mein absoluter Favorit ist jedoch der olympische Fackellauf. Wer hat’s erfunden? Leni Riefenstahl. In ihrem absolut sehenswerten Film „Olympia – Fest der Völker” (das ist der erste Teil, Teil 2 heißt „Fest der Schönheit”) über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin taucht der Fackellauf von Olympia zum Austragungsort erstmalig auf. Also canceln und auf Reise des olympischen Feuers vom Hain von Olympia zum Austragungsort verzichten?

Und überhaupt: Wie geht es weiter mit dem Canceln? Schon jetzt werden klassische Gemälde z. B. in der Galerie Alter Meister in Dresden zeitgeistkonform umbenannt. Bücher und Filme erhalten Warnhinweise oder sind nicht mehr frei nutzbar. Wann werden sie vernichtet? Eingestampft? Verbrannt? Und wann ist eigentlich die Bibel an der Reihe? Wenn ich an die im Alten Testament formulierten … ähem … Sexualnormen denke, ist das (trotz aller Erklärversuche der Amtskirche) aus heutiger Sicht längst überfällig (Lesetipp für Interessierte: Mose 5.22.5 usw.).

Auf alle Fälle lohnt es sich, über solche Fragen nachzudenken. Ich werde das heute übrigens in angenehmer Runde tun, in einer Gaststätte die neben traditionell deutscher Küche auch kulturelle Aneignung wie Pizza auf der Karte hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich wieder das Zigeunersteak wählen. Schon aus Prinzip. -ad / Foto: gemeinfrei

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Verfasst 10. Mai 2024 von admin in category "Aktuelles", "Wunderliches

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